Herr Blocher hat in den letzen Wochen in sein privaten Fernsehen Teleblocher als politisches Thema nur noch die Anti-EU-Kampagne und die Bundesratswahlen im Programm. Auch der Rest der SVP-Parteiführung dümpelt im selben destruktiven Programm. Zudem ist es absurd, dass die SVP den zweiten Bundesratssitz fordert, hat sie diesen doch schon besetzt. Mit dem Jahresanfang 2008 wurde im Bundesrat nur ein SVP-Mitglied durch ein anderes ersetzt.
Frau Widmer-Schlumpf ist eine SVP-Bundesrätin
Bis zu den Gesamterneuerungswahlen des Bundesrates im Jahre 2011 wird Bundesrätin Eveline Widmer-Schlumpf der SVP zugerechnet. Ab Dezember 2011 wäre sie eine BDP-Bundesrätin, wobei ihre Partei kaum den Anspruch auf diesen Bundesratssitz in den Nationalratswahlen 2011 erreichen wird.
SVP-Mitgliedschaft ist eine Mitgliedschaft in einer Zweiklassengesellschaft
Die SVP-Mitgliedschaft ist gleichzeitig das Bekenntnis zur Zweiklassengesellschaft, wobei dies in den SVP-Statuten nicht ersichtlich ist. Nicht jedes von der Bundesversammlung demokratisch gewählte SVP-Mitglied hat Anrecht als Bundesrates amtieren zu können.
Der Zentralvorstand entscheidet, ob es sich um ein “genehmes” SVP-Mitglied bzw. Kantonalpartei handelt. Wobei die qualitativen Anforderungen eines “genehmen” Parteimitgliedes nirgends entnommen werden können. Existiert doch diese Definition nur in den Köpfen des SVP-Übervater Blocher und seinen ideologischen Erben?
Ich habe keine Präferenzen für irgendeine Partei, aber auf Grund dieser SVP-Zweiklassengesellschaft, werde ich diese Partei bei den Nationalratswahlen 2011 nicht berücksichtigen. Obwohl meine Meinung mit einigen wenigen SVP-Positionen im Einklang ist, sehe ich eine Partei mit vielen Widersprüchen und einem zu banalisierten Weltbild. Eine Partei, welche die Demokratie hochhält, gleichzeitig gegen gewisse SVP-Mitglieder sehr undemokratisch vor geht.
Die Anti-EU-Kampagne der SVP
In den Jahren 2002 und 2003 war das Wirtschaftswachstum in der Schweiz gegenüber der EU und insbesondere gegenüber dem Vereinigten Königreiches (UK) kläglich. Natürlich debattierten die Schweizer Politiker und Wirtschaftsbosse die Rezepte für ein Wirtschaftswachstum in der Schweiz. Oftmals diente die Wirtschaftspolitik der angelsächsischen Länder bei diesen Diskussionen als Blaupause.
Quelle: Eurostat
Blochers Vorbildländer im Abstieg
Damals lobte Christoph Blocher das Vereinigte Königreich bzw. Margret Thatcher und Roland Reagan: „Maggie Thatcher in England oder Ronald Reagan in den USA haben den richtigen Ansatz gewählt. Um die Wirtschaft in Gang zu bringen, müsste man die Steuern massiv senken. Dann wird die Wirtschaft langfristig reaktiviert.“
Wie man aus der oben dargestellten Grafik sehen kann, ist das Wirtschaftswachstum der USA und UK in den letzten beiden Jahren eingebrochen, zudem kämpfen beide Länder noch immer stark mit Deleveraging (Schuldenkonsolidierung/Schuldenabbau). Die Weiterführung dieser viel gerühmten Wirtschaftspolitik produzierte einen aufgeblasenen Immobilien- und Finanzmarkt. Wahrscheinlich haben Thatcher und Reagan zu ihrer Zeit die richtige Wirtschaftspolitik betrieben, nur durfte dieser eingeschlagene Weg nicht für immer fortgesetzt werden.
Reagan hat viele Jobs geschaffen, die Inflation stark reduziert und den Spitzensteuersatz von 70% auf 28% gesenkt, anderseits stiegen die Staatsschulden während seiner Regierungszeit stark an.
Margret Thatcher senkte die Höchststeuer von 83% auf 40%, bekämpfte die Inflation erfolgreich und deregulierte die Finanzindustrie in Grossbritannien zudem trieb sie die Privatisierung der staatlichen Betriebe voran.
Waren die Steuersenkungen in den beiden Ländern längerfristig schädlich? Jedenfalls der minderwertige Immobilienboom in den USA wurde erst durch die Clinton-Administration ausgelöst, siehe „Sind Goldman Sachs die Guten? – US-Politik und ihr Häuserboom„.
Wenn Blocher die Wahrheit verdreht
Gemäss Herr Blocher geht es der Schweiz als folgendem Grund sehr gut:
Quelle: Teleblocher vom 10.9.2010
Wo wurden Steuer erhöht?
Land | 1990 | 1995 | 2000 | 2004 | 2005 | 2006 | 2007 | 2008 |
---|---|---|---|---|---|---|---|---|
Deutschland | 21.8 % | 22.7 % | 22.7 % | 20.7 % | 20.9 % | 22.0 % | 22.9 % | 23.1 % |
Belgien | 28.1 % | 29.2 % | 31.0 % | 30.8 % | 31.5 % | 31.0 % | 30.3 % | 30.3 % |
Dänemark | 45.6 % | 47.7 % | 47.6 % | 48.1 % | 49.2 % | 48.0 % | 47.9 % | 47.3 % |
Frankreich | 23.5 % | 24.5 % | 28.4 % | 27.3 % | 27.8 % | 28.1 % | 27.4 % | 27.0 % |
Polen | 25.2 % | 22.4 % | 20.0 % | 20.7 % | 21.4 % | 22.9 % | k.A. | |
Schweiz | 19.9 % | 20.3 % | 23.1 % | 22.0 % | 22.6 % | 23.0 % | 22.2 % | 22.6 % |
Tschechien | 22.0 % | 19.7 % | 22.1 % | 21.6 % | 20.4 % | 21.1 % | 20.6 % | |
Grossritannien | 30.1 % | 28.5 % | 30.9 % | 28.9 % | 29.6 % | 30.6 % | 29.5 % | 28.8 % |
USA | 20.5 % | 20.9 % | 23.0 % | 19.2 % | 20.6 % | 21.3 % | 21.7 % | 20.3 % |
Quelle: Wikipedia – Steuerquote
Wie oben erläutert, wurde in den letzten 20 Jahren die prozentuale Besteuerung in UK und den USA für ihrer Bürger nicht erhöht. Wären Blochers Äusserungen bezüglich der Auswirkungen von Steuererhöhungen bzw. Steuersenkungen korrekt, dann müsste es diesen beiden Ländern hervorragend gehen.
Steuern pro Kopf nach Gregory N. Mankiw
Harvard-Professor Gregory N. Mankiw verglich dabei für einmal nicht, welchen Anteil vom BIP der Staat beansprucht, sondern wie viel Steuern pro Kopf der Fiskus einnimmt:
Quelle: Avenir Suisse Informationsbulletin 2/2010
Schweiz und USA ähnliche Steuerbelastung
Die USA haben eine ähnliche Steuer- und Abgabequote wie die Schweiz, anderseits greifen die nordeuropäischen Staaten ihren Bürger tief in den Geldbeutel. Erstaunlicherweise geht es gerade diesen nördlichen Staaten wirtschaftlich besser als einigen steuergünstigen Ländern.
Somit sind Blochers Äusserungen bezüglich Steuerbelastung und Wohlstandes eines Landes widerlegt.
Schwache Interviewleistung von Herrn Matthias Ackeret in Teleblocher
Herr Ackeret bietet in Teleblocher oftmals eine schwache journalistische Leistung. Dies führt dazu, dass Herr Blocher ohne Widerspruch leicht wiederlegbare Aussagen von sich geben kann. Herr Ackeret scheint teilweise schlecht über das besprochene Thema informiert zu sein. Ein seriöser Journalist würde wenigstens einige zweifelhafte Aussagen von Herrn Blocher verifizieren. Hat doch Herr Ackeret gegenüber den meisten anderen Journalisten den Vorteil, sein Gegenüber eine Woche später mit den etwas fragwürdigen Aussagen zu konfrontieren. Wie oben dargestellt, können einige Aussagen von Herrn Blocher ziemlich einfach widerlegt werden.
Sicherlich dient Teleblocher nicht der objektiven Wahrheitsfindung, vielmehr ist es ein Propaganda-TV für die politische Einstellung von Herrn Blocher. Anderseits; nicht selten sind einige Begründungen von Herrn Blocher so unrichtig, dass diese mit gezielten Nachfragen widerlegt werden könnten.
Nationalrat Hans Fehr mit schlechtem Erinnerungsvermögen
Neulich äusserte sich der Auns-Geschäftsführer und SVP-Nationalrat Hans Fehr wie folgt:
Quelle: DRS1, Samstagsrundschau vom 21.08.2010 – Auns-Geschäftsführer Hans Fehr zur Europapolitik
Die Europäische Union (EU) hat zirka 495 Millionen Einwohner, das BIP betrug USD 16’447 Milliarden im Jahre 2009. Die Schweiz hat im Vergleich 7.4 Millionen Einwohner und ein BIP von USD 495 Milliarden. Die EU-27 führt die Weltrangliste des Bruttoinlandsproduktes an.
Herr Fehr hat wahrscheinlich vergessen, dass man die UBS ursprünglich mit CHF 66 Milliarden retten wollte. Ich überlasse es Ihnen, die Relation von CHF 66 Milliarden zum schweizerischen BIP mit der Relation EUR 750 Milliarden zum EU-27 BIP zu vergleichen. Ähnlich wie bei der Stützung der UBS wird es nicht unbedingt nötig sein, diese EUR 750 Milliarden einzusetzen. In erster Linie wurden damit die Finanzmärkte beruhigt bzw. zwischenzeitlich belohnt. Korrekterweise muss erwähnt werden, dass längst nicht alle EU-Länder den Euro als Landeswährung haben, die EU-16 hat 317 Millionen Einwohner und das BIP liegt bei etwa USD 11.5 Billionen.
Das sich wiederholende EU-bashing der SVP
Die negative Darstellung des EU-Raums ist übertrieben und oftmals völlig einseitig. Gerne übersieht die SVP die positiven Effekte der EU auf die Schweiz. Zudem vermittelt die SVP: Die einzelnen EU-Staaten würden von Brüssel gelenkt und die Lebensqualität in diesen Ländern sei schlecht.
SVP vorübergehende Konjunkturschwäche der EU ausnützen
Es ist klar das die SVP die vorübergehende Wirtschaftsschwäche der EU als Hauptthema für ihren Nationalratswahlkamp 2011 nutzen möchte. Bis in einem Jahr könnte sich aber die Wirtschaftsentwicklung in Europa wieder zu Gunsten der EU und zum Nachteil der Schweiz wenden. Nicht alle Länder werden zur gleichen Zeit in demselben Mass von einer Konjunkturschwäche getroffen, der heutige Gewinner kann der morgige Verlierer sein. Bisher konnte mir noch niemand plausibel erklären, warum das Wirtschaftswachstum vor 2004 in der Schweiz gegenüber EU-27 geringer war und danach höher.
Personenfreizügigkeit wirkte bisher positiv auf das schweizerische BIP
Dank der Personenfreizügigkeit gab es in den letzten Jahren kaum Personalengpässe in der Schweiz. Die schweizerischen Arbeitgeber konnten ihre offenen Arbeitsstellen aus dem Angebot des EU-Arbeitsmarktes befriedigen. Zudem sorgt das Angebot der gut qualifizierten Fachkräfte aus dem EU-Raum für zusätzliche positive Konkurrenz der einheimischen Arbeitnehmer. Natürlich lässt sich ein Teil des BIP-Wachstums durch das Bevölkerungswachstum erklären, anderseits wurde auch die Arbeitsproduktivität gesteigert.
Einseitige Betrachtung der Zuwanderung durch die SVP
Die SVP sieht nur die negativen Seiten der Zuwanderung, sie anerkennt nicht, dass der schweizerische Wirtschaftserfolg der letzten Jahre massgeblich der Einwanderung zugerechnet werden muss. Für viele hoch qualifizierte EU-Bürger wirkt zurzeit eine Arbeitsstelle in der Schweiz sehr anziehend. Dies spricht für die Attraktivität der Schweiz, anderseits deckt es einige Schwächen in unserem Bildungssystem auf.
Schweiz als Standort attraktiv
Eine erfolgreiche Politik kann auch daran gemessen werden, ob sich internationale Unternehmen und hoch qualifizierte Fachkräfte von einer Nation angezogen fühlen. Aus diese beiden Kriterien reduziert, hat die schweizerische Politik in den letzten Jahren sehr gute Arbeit geleistet. Dagegen war in dieser Hinsicht die deutsche Politik wenig erfolgreich, musste diese doch eine Auswanderung der gut ausgebildeten Fachkräfte beklagen.
Schweizerisches Bildungssystem produziert neben dem Markt
Ich bin auch der Meinung, dass die Masseneinwanderung der letzten Jahre kritisch zu beobachten ist, ich habe aber einen anderen Blickwinkel als die SVP: Scheinbar ist unser Bildungssystem unfähig die längerfristige Nachfrage des Marktes nach bestimmten Arbeitskräften zu befriedigen. Das ständig im Reformstau steckende Bildungssystem produziert Ausgebildete neben der längerfristigen Marktnachfrage, wobei diese Fehlentwicklung die Politik verantworten muss. Hierzu nur ein Beispiel: Statt alle Kinder schon in der Primarstufe mit zu vielen Fremdsprachen zu belasten bzw. zu belästigen, wäre eine stärkere Gewichtung der naturwissenschaftlichen Fachbereiche angebracht.
Die Hochfinanzpolitiker übergewichtigen die Wichtigkeit des Finanzplatzes für die schweizerische Volkswirtschaft gegenüber der Maschinen- Elektro- und Metallindustrie. Es wäre an der Politik für das Mathematik-, Physik und Ingenieurstudium der Elektronik, Informatik, Maschinen usw. zu fördern. Auch gewisse Berufe im Gesundheitswesen müssen durch den Staat attraktiver gestaltet werden, dabei denke ich an die Hausärzte und das Pflegepersonal. Sicherlich gibt es noch viele andere Berufe mit einer zukünftigen hohen Nachfrage, es ist an der Politik hierzu die richtigen Schlüsse zu ziehen und entsprechend zu agieren.
Früher oder später kann die Einwanderung in der Schweiz ein Problem werden. Wie oben erwähnt, die jahrzehntelange Fortführung der Roland Reagan und Margret Thatcher neoliberalen Doktrin belastet heute ihre Nationen.
EU-Länder besser als viele Schweizer annehmen
Die Rangliste der weltbesten Länder wird mit Finnland von einem Euro-Land angeführt, siehe „The World’s Best Countries„. An zweiter Stelle steht die Schweiz. Mit Schweden, Luxemburg, Niederlande und Dänemark haben es weitere EU-Länder in die besten 10 geschafft.
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