Die Credit Suisse ermittel seit beinahe 40 Jahren jährlich mit einer repräsentativen Umfrage bei der Stimmbevölkerung ihre Hauptsorge. In diesem Sorgenbarometer ist die Arbeitslosigkeit seit 2003 die helvetische Hauptsorge. Für 51% der Schweizerinnen und Schweizer gehört diese zu den fünf wichtigsten Problemen der Schweiz, dies ist eine Zunahme um 7% im Vergleich zum Vorjahr.

In der Schweiz mit ihrer direkten Demokratie werden jährlich einige öffentliche Abstimmungskämpfe abgehalten. Dies ist einer der wichtigen Orientierungshilfen für den Stimmbürger im Vorfeld einer Abstimmung. Augenfällig werden die meisten Abstimmungskampagnen mit der Drohung von Arbeitsplatzabbau geführt.

Dieser erste Teil enthält beispielhaft vier Volksinitiativen, wobei zwei Vorlagen trotz solcher Angstmacherei vom Wahlvolk angenommen wurden. Dem Autor geht es nicht um seine Meinung für oder gegen eine dieser Volksinitiativen. Vielmehr möchte er aufzeigen, wie die Elite bewusst mit dieser Hauptsorge berechtigt oder unberechtigt das Wahlverhalten der Stimmberechtigten beeinflusst.

Eidgenössische Volksinitiative „gegen die Abzockerei“

Es war einer der wenigen Volksinitiativen bei der sich die Angstmacherkampagne nicht durchsetzte. Am 3.03.2013 wurde die Initiative mit einem Ja-Stimmen-Anteil von 67.9% angenommen. Auch die Einschüchterung mit der Gefährdung von Arbeitsplätzen durch SVP-Übervater Christoph Blocher konnte die Annahme nicht verhindern:


Quelle: Teleblocher vom 18.01.2013

Stümperhafter Wirtschaftsverband Economiesuisse

Rudolf Wehrli der damalige Präsident des Wirtschaftsverbands Economiesuisse spielte die Klaviatur der Angst:


Quelle: SRF vom 7.02.2013 – Abzocker-Initiative: Economiesuisse im Abseits?

Herr Wehrli zeigte sich nach der Abstimmung als schlechter Verlierer. Gemäss seiner Aussage überlegen einige internationale Unternehmen den Wegzug aus der Schweiz. Zudem dementierte er ein Köpferollen bei der Economiesuisse:


Quelle: SRF, Rundschau vom 6.03.2013 – Economiesuisse: Mehrere Multis wollen Schweiz verlassen

Innerhalb eines halben Jahres quittierten sowohl der Direktor Pascal Gentinetta wie auch er selbst den Dienst bei Economiesuisse. Dem Autor ist bisher kein internationales Unternehmen bekannt, welches ausschliesslich aufgrund der Annahme dieser Initiative abwanderte.

Bundesrat Schneider-Ammann der Angstmacher der Nation

Der schweizerische Wirtschaftsminister ist wahrhaftig ein schlechter Kommunikator. Oftmals verstrickt er sich in der Kaskade des verschachtelten Satzaufbaus. Bei Vorlagen mit wirtschaftspolitischen Auswirkungen muss er als Wirtschaftsminister in den Abstimmungskampf eingreifen. Leider enden vieler seiner Aussagen mit der Angstmacherei vor dem Arbeitsplatzverlust.

Eidgenössische Volksinitiative „Gegen Masseneinwanderung“

Das Begehren erzielte am 9.02.2014 ein Volksmehr von 50.3%. Nach der verlorenen Abstimmung „Gegen Masseneinwanderung“ spricht Schneider-Ammann davon, er habe keine Angstkampagne geführt und nie gedroht:


Quelle: SRF, Tagesgespräch vom 10.02.2014 – Bundesrat Johann Schneider-Ammann

Bezüglich seiner angeblich sachlichen Aufklärung hat der Autor eine andere Wahrnehmung. Im Vorfeld der Abstimmung gegen die Masseneinwanderung hat der Autor eine Debatte am Radio zu diesem Thema mitverfolgt. Fast jede Aussage von Schneider-Ammann wurde mit der Angstmacherei vor Arbeitsplatzverlust beendet.

Manchmal ist er bei seinen Aussagen zudem überheblich, beispielsweise mit der Behauptung in unserem Land hätten wir die sichersten Arbeitsplätze.


Quelle: SRF vom 9.01.2014 – Masseneinwanderungs-Initiative: Die Debatte

Auch das folgende Statement beendet er mit einer seiner üblichen Folgerungen aus der angebotsorientierten Wirtschafts- bzw. Glaubenslehre:


Quelle: SRF vom 9.01.2014 – Masseneinwanderungs-Initiative: Die Debatte

Und nochmals eine ähnliche Schlussfolgerung: Keine Investition ist gleich beschädigtes Land folglich Arbeitsplatz riskiert.


Quelle: SRF vom 9.01.2014 – Masseneinwanderungs-Initiative: Die Debatte

In der zweiten Aussage kommt die These, dass bei der Annahme der Initiative die Firmen schon am folgenden Tag nach der Abstimmung die Projekte zurückschieben würden. In der Schlussrunde hat er scheinbar seine vorher gemachte Aussage schon vergessen:


Quelle: SRF vom 9.01.2014 – Masseneinwanderungs-Initiative: Die Debatte

Aufgrund ökonomischer Lehre müsste die Landesgrenze für den wettbewerbsorientierten Arbeitsmarkt geöffnet werden. Diesbezüglich ist Schneider-Ammann seinen liberalen Werten gefolgt, andererseits widerspricht seine Angstmacherei vor dem Arbeitsplatzverlust dieser Wirtschaftslehre. Das Gegenteil trifft zu. Werden die Grenzen geöffnet, so steigt das Angebot an arbeitsuchenden und erhöht die Konkurrenz um die Arbeitsstellen, damit verschlechtern sich grundsätzlich die Marktchancen der einheimischen Arbeitnehmer. Wahrscheinlich haben die Stimmberechtigten unbewusst dieses „Marktgesetz“ verinnerlicht und somit war die Abstimmungskampagne von Schneider-Ammann völlig kontraproduktiv.

Eidgenössische Volksinitiative „1:12 – Für gerechte Löhne“

Die 1:12-Initiative wurde mit 65.3% am 24.11.2013 vom Wahlvolk abgelehnt. Schneider-Ammann kommunizierte seine bevorzugte angebotsorientierte Glaubenslehre mit der Drohung von Arbeitsplatzverlust:


Quelle: Tagesanzeiger 27.09.2013 – Wirtschaftsminister Johann Schneider-Ammann, Wir sind europaweit eine Ausnahmeerscheinung

Eidgenössische Volksinitiative „Für den Schutz fairer Löhne (Mindestlohn-Initiative)“

Am 18.05.2014 wurde die Mindestlohn-Initiative mit 76.3% Nein-Stimmen abgelehnt. Einmal mehr war es Schneider-Ammann, der dieser Initiative die Etikette einer zunehmende Arbeitslosigkeit umhängte:


Quelle: SRF, Tagesschau vom 25.02.2014 – Schneider-Ammann startet Kampf gegen Mindestlöhne

Fazit

Der Verlust von Arbeitsplätzen ist bei vielen Abstimmungen meistens das Killerargument Nummer 1. Dabei wird mit der Unternehmens- und Produktionsabwanderung ins Ausland gedroht. Obwohl einer direkten Demokratie und einer Wählermehrheit von Arbeitnehmenden können sich grösstenteils die Arbeitgeber durchsetzen. Wahrscheinlich ist die Drohung mit Arbeitsplatzabbau einer der negativen Aspekte der direkten Demokratie, andererseits haben die Bürger einer repräsentativen Demokratie meistens kein Mitbestimmungsrecht zu einzelnen Vorlagen.

Wie diese Beispiele zeigen, gelingt es der Elite nicht immer die Stimmbevölkerung mit ihrer Einschüchterung von Arbeitsplatzabbau auf Linie zu bringen. Die Kommunikation des Wirtschaftsministers reduziert sich im Abstimmungskampf auf die Drohung von Arbeitsplatzverlust.

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